Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 10.11.22, 15:15 Uhr

Zweitwärmstes Sommerhalbjahr und sommerliches Niederschlagsdefizit von ca. 75 Litern pro Quadratmeter. 45 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 68 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.

Witterung:
Der Niederschlag des hydrologischen Sommerhalbjahres (01.05. bis 31.10.2022) summiert sich für Nordbayern auf 360mm (83% vom Mittel 1971 bis 2000) und für Südbayern auf 592mm (89% vom Mittel). In Nordbayern fielen fünf der sechs Monate zu trocken aus (Abb. 1, Ausnahme: markant zu nasser September), Südbayern verzeichnete vier zu trockene Monate im Sommerhalbjahr (Ausnahmen: zu nasser September und Oktober). Auch die Bilanz für die Regierungsbezirke (Abb. 2) zeigt die zu trockenen Verhältnisse, wobei das größte sommerliche Niederschlagsdefizit in Unterfranken (25% weniger) und Oberfranken (23% weniger) auftrat. In der gesamten Beobachtungsreihe ab 1881 gab es keinen wärmeren Oktober als den Oktober 2022 (11,9°C) und damit erreichte das hydrologische Sommerhalbjahr 2022 den Platz 2 in der Lufttemperaturauswertung zu der 142-jährigen Reihe (Lufttemperaturmittel: 16,1°C), hinter dem Rekordjahr 2018 (16,2°C). Die ersten Novembertage starteten zu trocken.

Fließgewässer:
Ähnlich wie 2018 kam es im Sommer 2022 zu einer ausgeprägten weiträumigen Niedrigwassersituation an den Fließgewässern. Durch den deutlich zu trockenen März sowie den in Südbayern zu trockenen April sanken die Abflüsse ab. Anfang Mai lagen die Abflüsse vor allem im Bereich zwischen den Alpen und der Donau sowie an der Donau selbst auf einem für die Jahreszeit niedrigen Niveau. In Folge der weiterhin fehlenden Niederschläge sowie den hohen Lufttemperaturen nahm der Anteil der Pegel mit sehr niedrigen Abflüssen unterhalb des langjährigen mittleren Niedrigwasserabflusses (MNQ) ab, Mitte Juni bis Mitte August deutlich von 10 auf circa 70% zu. An einigen Messstellen wurden Abflüsse im Bereich des niedrigsten bisher gemessenen Tageswerte (NQ) registriert, einzelne Pegel an kleineren Gewässern in den besonders betroffenen Gebieten, wie zum Beispiel dem Frankenwald, führten zeitweise kein Wasser mehr und einige Abschnitte kleiner Fließgewässer fielen trocken. Regionale Abflussanstiege brachten dann die ergiebigen, teils extremen Niederschläge der zweiten Augusthälfte. Der markant zu nasse September mit immer wieder zum Teil kräftigen Niederschlägen beendete dann weitgehend flächendeckend diese ausgeprägte Niedrigwasserphase. Die trockene und warme Phase der letzten zwei bis drei Wochen ließ die Abflüsse wieder absinken. Derzeit werden an den Pegeln verbreitet für die Jahreszeit niedrige Abflüsse, an einigen Pegeln sehr niedrige Abflüsse unterhalb des langjährigen mittleren Niedrigwasserabflusses (MNQ) registriert.

Seen und Speicher:
Analog zu den Fließgewässern waren in diesem Sommer die Seen von dieser ungewöhnlichen Niedrigwasserphase betroffen. So wurden zum Beispiel am Starnberger See Mitte August Wasserstände im Bereich der Niedrigwerte aus den Trockenjahren 2003 und 2018 registriert. Aktuell liegen an einigen der großen Seen im Süden Bayerns die Wasserstände auf einem für die Jahreszeit niedrigen Niveau.
Die Niederschläge seit Mitte September sorgten überwiegend für einen Wiederanstieg in den Betriebsräumen der staatlichen Wasserspeicher mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung. Sie sind derzeit mit Ausnahme des Brombachsees (41%) zu über 50% gefüllt und können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden.
An den vier Anlagen, Ellertshäuser See, Eixendorfer See, Liebensteinspeicher und Trinkwassertalsperre (TWT) Mauthaus werden weiterhin Baumaßnahmen durchgeführt, so dass dort keine bzw. nur sehr begrenzt eine Niedrigwasseraufhöhung erfolgen kann. Der Ellertshäuser See wurde in 2021 für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen komplett abgestaut (siehe auch: https://wwa-ellertshaeusersee.de). Der Wiederaufstau an der neu errichteten Grundsperre wurde mit einem Ministertermin am 22. September 2022 begonnen. Der Eixendorfer See ist für Sanierungen (Bau eines neuen Entnahmeturms) teilabgestaut. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg ebenfalls teilabgestaut, befindet sich jedoch wieder im Aufstau und zwischenzeitlich wieder deutlich über den Absenkzielen.
Die Hauptlast der Main-Donau-Überleitung trägt zur Zeit der mit Donauwasser gespeiste Rothsee. Der durch Altmühlwasser gespeiste Große Brombachsee leitet momentan 0,26 m³/s in das Main-Einzugsgebiet ein.
Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Nach einem zu trockenen Frühjahr, gefolgt von einem sehr heißen und trockenen Sommer, erreichte die Niedrigwassersituation im oberen Grundwasserstockwerk Mitte August ihren Höhepunkt, als an rund 80% der Messstellen niedrige bzw. sehr niedrige Messwerte registriert wurden. Anschließend führten zum Teil sehr ergiebige Niederschläge bis Oktober zu einer vorübergehenden Erholung, die überwiegend in schnell regenerierenden Grundwasservorkommen entlang der Fließgewässer, sowie in Grundwasservorkommen mit geringer Überdeckung erfolgte. Der Anteil niedrig klassifizierter Messstellen verringerte sich währenddessen auf ein Minimum von rd. 37% Anfang Oktober. Bis zum Ende des hydrologischen Sommerhalbjahres stieg der Wert wieder leicht auf rd. 40% (Abb. 3).
Besonders von Niedrigwasser betroffen waren im Sommerhalbjahr 2022 in Nordbayern der fränkische Jura, der fränkische Sandsteinkeuper und z.T. Grundwasserleiter entlang der Flüsse (Quartär). In Südbayern besonders betroffen waren das Tertiär bzw. die Obere Süßwassermolasse sowie weite Bereiche des Alpenvorlands.
Durch den Vergleich des Mittelwertes der in Bayern im hydrologischen Sommerhalbjahr als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen mit dem Mittelwert der Vorjahre zeigt sich die außergewöhnliche Betroffenheit der Grundwasservorkommen durch die langanhaltende Trocken- und Hitzephase 2022. So liegt der Mittelwert 2022 mit 58% über dem der Trockenjahre 2018 (53%) und 2015 (47%). In der Folge wurden im bisherigen Jahr 2022 an vielen Messstellen neue Niedrigstwerte registriert.
Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern seit 2003 ein mittleres jährliches Defizit von 16% auf. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020) kann dieses Defizit nicht durch einzelne regenreiche Monate langfristig ausgeglichen werden. Insbesondere (Stark ) Niederschläge in hoher Menge und kurzer Dauer fließen auf ausgetrockneten Böden teilweise direkt an der Oberfläche ab. In Kombination mit der hohen Pflanzenverdunstung im Sommerhalbjahr (Mai-Oktober) stehen die Niederschläge für eine Auffüllung der Grundwasservorräte daher nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil zur Verfügung. Für eine Verbesserung der Situation, auch in fließgewässerfernen Grundwasservorkommen, ist zumindest ein außergewöhnlich niederschlagsreiches Winterhalbjahr 2022/23 von Nöten.
Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Die Anzahl der als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen beträgt derzeit rd. 68%. Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind Messstellen des Jura, des mittelfränkischen Sandsteinkeupers sowie des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau.

Öffentliche Trinkwasserversorgung:
Insgesamt gesehen war die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern im Jahr 2022 gewährleistet. Aufgrund der Trockenheit kam es jedoch zu vereinzelten, lokal beschränkten temporären Engpässen in der öffentlichen Trinkwasserversorgung in der Oberpfalz, Oberfranken und Unterfranken. Von einigen Wasserversorgern ergingen dort vorsorglich Aufrufe an die Bevölkerung zum Wassersparen, teilweise in Ober- und Unterfranken verbunden mit Einschränkungen des Wassergebrauchs, z.B. Verbot von Autowäsche, Gartengießen oder Befüllen von Swimmingpools. In einem Fall in Oberfranken mussten zwei Ortsteile einer Gemeinde, da dort die zur Trinkwasserversorgung genutzten Quellen zeitweise versiegten, mittels Tankwagen und Einspeisung des Trinkwassers in den Hochbehälter versorgt werden. Im Versorgungsgebiet eines Wasserversorgers in Unterfranken durfte Trinkwasser nur noch zum Trinken, Kochen und Duschen verwendet werden.
In einigen Bereichen in Niederbayern und im südlichen Schwaben gingen die Wasserdargebote bei einigen kleinen Eigenwasserversorgungsanlagen oder Berghütten, die Flachbrunnen oder Quellen nutzten, zeitweise stark zurück bzw. fielen zum Teil ganz aus. Zur Entspannung in den Herbstmonaten kann der im Vergleich zu den Sommermonaten sinkende durchschnittliche Wasserbedarf bei den Abnehmern beitragen.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Die gewässerökologische Situation in unseren Fließgewässern wird maßgeblich durch das Zusammenspiel von Wassertemperatur, Sauerstoff und Abfluss bzw. Wasserstand und Strömung bestimmt. Die Wassertemperaturen liegen aktuell wieder in einem jahreszeitlich typischen, gewässerökologisch günstigen Bereich. Noch immer weisen aber bayernweit rund die Hälfte der Pegel an Fließgewässern niedrige oder sehr niedrige Abflüsse auf.
Trotz der positiven Entwicklungen in vielen Fließgewässern nach der langen Trockenheit müssen aber auch langfristige Auswirkungen in Betracht gezogen werden. Periodisch niedrige Abflüsse und zeitweise sogar trockenfallende Bereiche in den Oberläufen sind ein natürliches Phänomen in unseren Fließgewässern. Zahlreiche dort vorkommende Gewässerorganismen sind in ihrer Lebensweise, mit Überdauerungsformen, Lebensphasen außerhalb des Wassers, hoher Mobilität oder auch hohem Wiederbesiedlungspotential an diesen extremen Lebensraum angepasst. In Trockenjahren wie 2022 müssen wir allerdings davon ausgehen, dass viele dieser Strategien auch an ihre Grenzen kommen und sich die Lebensgemeinschaften nicht vollständig regenerieren können. Im Jahr 2022 trockneten auch üblicherweise durchgehend wasserführende Bereiche mancher Fließgewässer aus. In einigen bayerischen Muschel- und Flusskrebsgewässern fielen dadurch auch Lebensräume seltener Arten wie Flussperlmuschel, Bachmuschel oder Steinkrebs trocken. Auch bei Fischen ist die Situation mitunter prekär. Hier hängt eine Wiederbesiedlung von der biologischen Durchgängigkeit ab, die in vielen betroffenen Fließgewässern nicht gegeben ist. Wir müssen davon ausgehen, dass durch diese temporären Lebensraumverluste die vorkommenden Lebensgemeinschaften nicht nur in räumlich und zeitlich begrenztem Umfang beeinträchtigt werden, wie z.B. bei lokalen Fischsterben. Vielmehr können solche langanhaltenden und ausgedehnten Austrocknungen und Extremniedrigwässer möglicherweise dauerhafte Schäden in der Artenzusammensetzung unserer Fließgewässer hervorrufen (Abb. 4).
Entwicklung in den Seen
Trockenheit und Sonneneinstrahlung wirken sich auf die Gewässerökologie der Seen in verschiedener Weise aus. Die Temperaturentwicklung im Jahresverlauf prägt das Ökosystem der Seen. Der Wechsel von warmen und kalten Jahreszeiten sichert die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers und die Nährstoffversorgung der Pflanzen und Tiere im Freiwasser. Das sommerlich warme Wasser eines Sees muss abkühlen, um den Stoffaustausch zwischen den Wasserschichten zu ermöglichen. Durch zu stark erwärmtes Wasser kann dieser Austausch verhindert werden. Hohe Sonneneinstrahlung und wenig zufließendes kühleres Wasser wie in diesem Jahr, fördern stärkere Erwärmung. Unter anderem entstanden dadurch einige Massenentwicklungen von toxischen Blaualgen, die in zu Badewarnungen und Badeverboten geführt haben. Auch die wärmeliebende Süßwassermeduse konnte sich entwickeln. Eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel kann erst mit Auswertung der Temperatur- und Sauerstoffwerte im Winter sowie Untersuchungen der Biologie in den kommenden Jahren erkannt werden. Seeufer bieten vielen Pflanzen und Tieren Lebensraum. Fallen sie wie in diesem Jahr trocken, weichen die dort siedelnden und auf Wasser angewiesenen Organismen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln. Röhrichtbestände waren über viele Wochen von der Wasserfläche abgeschnitten und standen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung. Auch Vögel, die im Schilf brüten, konnten nicht von einer schützenden Wasserfläche profitieren. Mögliche langfristige Auswirkungen, wie z.B. das Absterben einzelner Arten oder eine geringere Zahl an diesjährigem Nachwuchs können erst bei zukünftigen Untersuchungen erkannt werden.

Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis Anfang Dezember zunächst durchschnittliche (Kalenderwochen 45 und 46) und anschließend zu trockene Niederschlagsverhältnisse (Kalenderwochen 47 und 48) bei überwiegend zu warmen Temperaturen (drei zu warme Wochen und dann eine zu kalte Woche). Diese Einstufungen ergeben sich aus dem Vergleich mit dem Referenzzeitraum 2002 bis 2021. Hierdurch wird eine Niedrigwasserlage begünstigt.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.2: Niederschlagsbilanz des hydrologischen Sommerhalbjahres. Abweichungen vom mittleren Niederschlag (1971 bis 2000) für die Regierungsbezirke.



Abb.3: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.4: Trockenfallende Gewässer schränken die Verfügbarkeit des Lebensraums ein. Dies kann auch zu lokalen Fischsterben führen wie in diesem Beispiel an einem Altwasser der Altmühl bei Trommetsheim (Foto: Wasserwirtschaftsamt Ansbach).


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