Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Niedrigwasser-Lagebericht Bayern

Ausgegeben am 29.08.22, 14:00 Uhr

Die Starkregenfälle vom 26. bis 28. August haben das Niederschlagsdefizit in einzelnen kleinräumigen Gebieten reduziert. Weite Teile Nordbayerns zeigen aber nach wie vor extrem trockene Niederschlagsverhältnisse. Die Überleitung Donau-Main kann derzeit wieder vollumfänglich erfolgen. 65 Prozent der oberflächennahen Grundwassermessstellen und Quellen weisen niedrige und sehr niedrige Grundwasserstände auf. In den tieferen Grundwasser-Stockwerken zeigen 76 Prozent der Messstellen eine Niedrigwassersituation.

Witterung:
Alle Monate des bisherigen hydrologischen Sommerhalbjahres fallen zu trocken aus (Abb. 1). So summiert sich der Niederschlag vom 01.05 bis 28.08.2022 in Nordbayern auf 169mm (56% vom Mittel 1971 bis 2000, Niederschlagsdefizit: 134mm) und ist der niedrigste Wert in der 62-jährigen Beobachtungsreihe, noch unterhalb der 193mm von 1976. In Südbayern erreicht die Viermonatssumme (01.05. bis 28.08.2022) 386mm (79% vom Mittel, Niederschlagsdefizit: 101mm), im Jahr 2003 war es dort allerdings noch trockener (331mm). Die zeitweiligen Starkregenfälle der letzten Wochen haben das Niederschlagsdefizit in manchen Landkreisen reduziert und der Niederschlagsindex der letzten 90 Tage (SPI) klassifiziert weiterhin große Teile Frankens und der Oberpfalz als sehr oder extrem trocken. Die Anzahl der bisherigen August-Sommertage übertrifft das langjährige Mittel des gesamten Monats um 8 bis 13 Tage. Anzahl der Sommertage: 17 (Hof), 19 (Augsburg), 23 (Nürnberg), 27 (Würzburg). Die Spannweite der heißen Tage reicht von 4 (Hof, Augsburg), über 6 (München, Nürnberg) bis 15 (Würzburg). Die Anzahl der heißen Tage übertrifft das langjährige Mittel des gesamten Monats August stationsabhängig um 2 bis 12 Tage.

Fließgewässer:
Die zum Teil ergiebigen und teils extremen Regenmengen vom 26. bis 28. August mit Schwerpunkt in Ober- und dem westlichen Mittelfranken sowie dem Süden von Schwaben und Oberbayern haben in den betroffenen Bereichen die Abflüsse kurzfristig ansteigen lassen und zumindest vorübergehend für etwas Entspannung gesorgt. Trotzdem werden derzeit in weiten Teilen Bayerns weiterhin niedrige bis sehr niedrige Abflüsse registriert. In Unterfranken, Mittelfranken, der südlichen Oberpfalz sowie Niederbayern werden überwiegend Abflüsse unter dem langjährigen mittleren Niedrigwasserabfluss (MNQ) gemessen und als sehr niedrig eingestuft. An einigen Pegeln liegen die Abflüsse im Bereich des niedrigsten bisher gemessenen Tageswertes (NQ). Abschnittsweise sind kleinere Fließgewässer trockengefallen. Etwas günstiger ist die Abflusssituation an Fließgewässerabschnitten, die durch Speicherabgaben gestützt werden. Eine solche Abflusserhöhung erfolgt derzeit z. B. an der Rednitz/Regnitz durch Abgaben aus dem Roth- sowie Brombachsee (siehe Speicher).

Seen und Speicher:
Wie auch an den Fließgewässern sind die Wasserstände an den Seen zumindest vorübergehend teilweise etwas angestiegen. An einigen Seen werden weiterhin niedrige bis sehr niedrige Wasserstände registriert.
Die Füllung der Betriebsräume der Talsperren mit Funktion der Niedrigwasseraufhöhung nahm, mit Ausnahme des Altmühl-, Roth- und Rottachsees, in den letzten sieben Tagen weiter ab. Sie sind derzeit zwischen 43% und 100% gefüllt und können für die Niedrigwasseraufhöhung in Anspruch genommen werden.
Aufgrund der unter 50% liegenden Füllung des Betriebsraumes für die Niedrigwasseraufhöhung im Sylvensteinspeicher, wird am Pegel Bad Tölz nunmehr ein Mindestabfluss von 15 m³/s angestrebt. An den drei Anlagen, Ellertshäuser See, Eixendorfer See und Liebensteinspeicher, werden aktuell Baumaßnahmen durchgeführt. Der Ellertshäuser See ist für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen komplett abgestaut (siehe auch: https://wwa-ellertshaeusersee.de), der Eixendorfer See für Sanierungen teilabgestaut. Der Liebensteinspeicher wurde für Brückenabrissarbeiten der Gemeinde Plößberg ebenfalls teilabgestaut. In der derzeitigen Wiederaufstauphase erfolgt wieder eine moderate Niedrigwasseraufhöhung für die Waldnaab.

Die Hauptlast der Main-Donau-Überleitung trägt zur Zeit der mit Donauwasser gespeiste Rothsee. Der durch Altmühlwasser gespeiste Große Brombachsee, welcher in der vergangenen niederschlagsarmen Zeit die Hauptlast trug, speist momentan 0,3m³/s zur Überleitung in das Main-Einzugsgebiet ein.
Die Betriebsräume der Trinkwasserspeicher Mauthaus und Frauenau sind derzeit zur uneingeschränkten Wasserlieferung an die Fernwasserversorger ausreichend gefüllt.

Grundwasserstände:
Die Grundwasserneubildung und die damit einhergehende Erholung der Grundwasserstände findet vorwiegend im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) statt. Die Niederschlagsbilanz des vergangenen Winterhalbjahres 2021/22 fiel jedoch, besonders in Südbayern (74% vom Mittel), erneut zu trocken aus. Auch die Folgemonate Mai, Juni, Juli sowie der bisherige August waren in weiten Teilen Bayerns erheblich zu trocken.
Das für diese Jahreszeit übliche Niveau der Grundwasserstände und Quellschüttungen wird aktuell nur noch in Teilen des ostbayerischen Kristallin sowie in Teilen Unterfrankens erreicht. In den übrigen nordbayerischen Regionen werden vermehrt (sehr) niedrige Grundwasserstände registriert. Besonders betroffen sind hier der fränkische Jura, der mittelfränkische Sandsteinkeuper und zum Teil Messstellen entlang der nordbayerischen Flüsse (Quartär). In Südbayern hingegen unterschreiten die meisten Messstellen das für diese Jahreszeit übliche Niveau bereits erheblich. Besonders betroffen sind hier viele Messstellen des Quartär und der Alpinen Gesteine sowie nahezu alle Messstellen des Tertiär und der Oberen Süßwassermolasse. Nach den vor allem in Südbayern ergiebigen Niederschlägen Mitte August konnte kurzzeitig eine leichte Entspannung der Situation in einigen oberflächennahen Grundwasserleitern beobachtet werden. Diese Entwicklung hat sich zuletzt nicht weiter fortgesetzt. Die Grundwasserstände sind vielerorts nach Ende der Hochwassersituation wieder leicht abgefallen bzw. pendeln auf einem gleichbleibenden Niveau. Dass sich die Niedrigwassersituation nicht wieder verschärft hat, ist den am letzten Wochenende gefallenen Niederschlägen zu verdanken.
Über ganz Bayern betrachtet liegt der aktuelle Anteil der niedrig klassifizierten Messstellen im obersten Grundwasserstockwerk mit rd. 65% (Abb. 2) weiterhin erheblich über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 43 %) und 2021 (rd. 16 %). Auch während des ausgeprägten Trockenjahres 2015 war der Anteil niedriger Messstellen zum 21. August mit rd. 60% geringer.
Auf Grund der bayernweit stark ausgetrockneten Böden sowie dem hohen Wasserbedarf der Vegetation ist für das weitere hydrologische Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) mit rückläufigen Grundwasserständen und Quellschüttungen zu rechnen. Bei anhaltender Trockenheit wird sich die Anzahl an Messstellen mit niedrigen Werten wieder erhöhen.

Entwicklung der Grundwasserstände in den tieferen Grundwasserstockwerken:
Die Grundwassermessstellen der tieferen Grundwasserstockwerke weisen bereits seit dem Trockenjahr 2015 mehrheitlich niedrige Grundwasserstände auf. Zuletzt kam es, als Folge der teilweise sehr feuchten Sommermonate 2021, zu einer geringfügigen Erholung, welche sich jedoch als nicht nachhaltig erwies. Der Anteil der aktuell als niedrig und sehr niedrig klassifizierten Grundwassermessstellen liegt mit rd. 76% wieder über dem Niveau der Jahre 2020 (rd. 72%) und 2021 (rd. 54%). Besonders von niedrigen Grundwasserständen betroffen sind die Messstellen des Jura von Oberfranken bis Schwaben, des mittelfränkischen Sandsteinkeupers sowie des Tertiärs zwischen Alpenvorland und Donau.

Entwicklung der Grundwasserneubildung in den letzten Jahren:
Aufgrund der zu geringen Niederschläge der letzten Jahre weist die Grundwasserneubildung in Bayern bereits seit 2003, und somit seit nahezu 20 Jahren, ein mittleres jährliches Defizit von rd. 16% auf. Diese Situation hat sich durch das erneut unterdurchschnittliche Jahr 2021 nicht gebessert. Durch die zuletzt gehäuft aufgetretenen Trockenjahre (2015, 2018, 2019, 2020) kann dieses Defizit allenfalls durch ein außergewöhnlich niederschlagsreiches Winterhalbjahr 2022/23 verringert werden.

Gewässerökologie Fließgewässer und Seen:
Die gewässerökologische Situation in unseren Fließgewässern wird maßgeblich durch das Zusammenspiel von Wassertemperatur, Sauerstoff und Abfluss bzw. Wasserstand und Strömung bestimmt. Viele Fließgewässer in ganz Bayern sind zwar noch erwärmt, kühlen sich jedoch allmählich ab. Die Werte liegen nahezu überall unterhalb der gesetzlichen Orientierungswerte der Wassertemperatur, wie sie für verschiedene Fischgemeinschaften in der Oberflächengewässerverordnung festgelegt wurden.
Durch die nach wie vor sehr geringen Abflüsse in den Fließgewässern bleibt die gewässerökologische Situation ernst. Die Niederschläge des Wochenendes können die hydrologischen Lebensraumbedingungen nur dann nachhaltig stabilisieren, wenn es auch in der Folgezeit ausreichend feucht bleibt. Derzeit sind die Lebensräume und Wanderungsmöglichkeiten für die Gewässerorganismen lokal noch stark beeinträchtigt bzw. eingeschränkt, da vielerorts immer noch kleine und teilweise auch mittelgroße Fließgewässer trocken gefallen sind oder sehr wenig Wasser führen.
Vor diesem Hintergrund muss die Situation für die Fische insgesamt weiterhin als angespannt eingestuft werden. Mit steigenden Wassertemperaturen und damit verbundenen niedrigeren Sauerstoffgehalten sind gerade kälteliebende Fischarten wie z.B. die heimische Bachforelle, Äsche oder auch das Bachneunauge zunehmend gestresst.
Einzelne bekannt gewordene Fisch-, Muschel- oder Krebssterben in Fließgewässern stehen oft im Zusammenhang mit den ebenfalls sehr niedrigen Abflüssen bzw. lokalem Trockenfallen und der sich verschlechternden Sauerstoffversorgung. In ganz Bayern wurden lokal Tiere umgesetzt. Ein Teil der oberfränkischen Flussperlmuschelbestände verbleibt bis zur endgültigen Entspannung der Lage in einer Muschelzuchtstation, andere Flussperlmuschelbäche können über geringe Zuleitungen aus Teichen feucht gehalten werden. Bergungsaktionen für die ebenso geschützte Bachmuschel wurden aus Oberfranken, Schwaben und Oberbayern berichtet.
Auffällig ist in vielen bayerischen Flüssen die Ausbildung großer Bestände von Wasserpflanzen. Diese Entwicklung ist charakteristisch für Niedrigwasserphasen. Die Pflanzen profitieren insbesondere von der niedrigen mechanischen Belastung bei geringer Strömung im benetzten Gewässerbett und auf trockengefallenem Gewässergrund.
Die regional ergiebigen Niederschläge spülten viele Trüb- und Nährstoffe in die Fließgewässer, auch über Mischwasserentlastungen. Es ist nicht auszuschließen, dass damit lokal kurzfristige Gewässerbelastungen auftreten, was einen weiteren Stressfaktor für die Gewässerökologie darstellt. Die Algen in Main und Donau sorgen für einen schwankenden Sauerstoffgehalt: Während er tagsüber ansteigt, sinkt er nachts ab. Die Minimalwerte sind aber nicht in einem kritischen Bereich, so dass keine Warnung entsprechend der Alarmpläne Gewässerökologie notwendig wird. Am Main ist momentan nur ein relativ schwacher Abfluss vorhanden, was zu längeren Verweilzeiten des Wassers in den Staubereichen führt. Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt liegen aber dennoch in einem nicht kritischen Bereich.
Angesichts der derzeitigen Witterungsentwicklung ist für die Fließgewässer weiterhin von einer gewässerökologisch kritischen Lage auszugehen. Daher ist es aus Sicht der Wasserwirtschaftsverwaltung in der gegenwärtigen Situation wichtig, jede unnötige Störung in unseren Fließgewässern zu vermeiden. Dies gilt für Maßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung bis hin zur Freizeitnutzung.
Entwicklung in den Seen
Die Gewässerökologie der großen und tiefen Seen wird maßgeblich von der Temperaturentwicklung im Jahresverlauf geprägt. Die kalten Phasen im Winter sind notwendig um die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers zu sichern und somit Fäulnisprozesse in der Tiefe zu verhindern. Je wärmer das Oberflächenwasser eines Sees im Sommer wird, desto länger dauert es, bis der See im Herbst und Winter so weit abkühlt, dass Sauerstoff in die Tiefe gelangen kann. Bei einer Niedrigwasserlage mit einem geringen Zustrom von kühlerem Grund- und Oberflächenwasser in die Seen werden höhere Temperaturen verstärkt. Sonnenlicht und Wärme fördern die Bildung mikroskopisch kleiner im Wasser schwebender Algen, die wiederum nach ihrem Absterben auf den Grund absinken und zur Sauerstoffzehrung in der Tiefe des Sees beitragen. Um eine Beeinträchtigung der Ökologie des Freiwassers durch Sauerstoffmangel feststellen zu können, werden die Temperatur- und Sauerstoffwerte im weiteren Jahresverlauf ausgewertet.
Es treten bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Gewässern massenhafte Vorkommen von Blaualgen auf, diese Algenblüten werden von größerer Wärme gefördert. Blaualgen oder auch Cyanobakterien können Toxine (Giftstoffe) bilden und auch zu Hautreaktionen führen. Aus diesem Grund wurden an manchen kleineren Badeseen und auch an einigen größeren Seen in Nordbayern Badewarnungen und zeitweise Verbote ausgesprochen. Aktuell sind beispielsweise der Altmühlsee, der Eixendorfer See und der Drachensee betroffen. Erste Vorkommen von Zerkarien wurden gemeldet. Es handelt sich hierbei um Parasiten, die bei höheren Wassertemperaturen in großen Mengen auftreten können und in der Regel Wasservögel befallen. Treffen sie auf Menschen, bewirken sie einen stark juckenden Ausschlag, die sogenannte Badedermatitis. Auch die an Wärme angepassten Süßwasserquallen treten auf.
Starke Regenfälle, wie die des vergangenen Wochenendes, können bei oberflächlichen Abschwemmungen für plötzliche und hohe Nährstoffeinträge in die Uferbereiche sorgen, was zu einer verstärkten Algenentwicklung führen kann. Diese Niederschläge haben jedoch nicht zu einer grundlegenden Besserung der Niedrigwassersituation in den Seen geführt. Weiterhin gibt es die als „niedrig“ oder „sehr niedrig“ eingestuften Wasserstände. Große Teile der Uferbereiche sind trockengefallen. Die dort siedelnden auf Wasser angewiesenen Organismen weichen in größere Tiefen aus oder sterben ab, wie z.B. die Pflanzen, Algen und Muscheln der Flachwasserzone. Röhrichtbestände sind von der Wasserfläche abgeschnitten und stehen als Rückzugsraum, Schutzzone vor Fraßfeinden und Laichhabitat für Fische und Insekten nicht mehr zur Verfügung.

Ausblick:
Die derzeitige Trendvorhersage des Deutschen Wetterdienstes prognostiziert bis zum 04. September zunächst durchschnittliche und für die Folgewoche zu nasse Niederschlagsverhältnisse bei überdurchschnittlich warmen Temperaturen. Diese Einstufungen ergeben sich aus dem Vergleich mit dem Referenzzeitraum 2002 bis 2021.
Die Niedrigwasserlage wird sich nicht grundlegend ändern.

Abb.1: Abweichungen vom mittleren Monatsniederschlag (1971-2000) für die Regionen Nord- und Südbayern im Verlauf der letzten 2 Jahre.



Abb.1: Anteil an Grundwassermessstellen und Quellen mit der Klassifizierung niedrig, sehr niedrig bzw. neuer Niedrigstwert im oberen Grundwasserstockwerk im Verlauf der letzten 2 Jahre.


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